Deutschlands Energiewende: Kupfer, Stromnetze und die unterschätzte Nachfrage
10. Okt. 2024
Christian Salow: Guten Tag, meine Damen und Herren. Willkommen zur neuesten Episode von Altii - Das Interview. Heute reden wir über Deutschlands Energiewende. Wir reden über Kupfer, Stromnetze und die unterschätzte Nachfrage. Und ich freue mich ganz besonders, heute in den Offices von PGIM zu sein und Jakob Wilhelmus im Gespräch zu haben. Jacob ist Director of Thematic Research bei PGIM. Hallo, willkommen im Gespräch.
Jakob Wilhelmus: Hallo Christian, ich freue mich auf unser Gespräch.
Christian Salow: Erzähl doch ein bisschen. Was machst du so? Wo kommst du her?
Jakob Wilhelmus: Ich bin ursprünglich Berliner, bin aber seit fast zwölf Jahren in den Vereinigten Staaten und seit knapp drei Jahren bei PGIM als Direktor Thematic Research. Und ein bisschen als Hintergrund, Thematic Research, wirklich, was unser Ziel ist, ist, wir schauen uns die großen, wir nennen sie Megatrends, die großen Themen unserer Zeit an. Das ist der Klimawandel, das ist die Energiewende und noch vieles anderes. Und wirklich, was wir versuchen, ist, eine Brücke zu schlagen zwischen den längerfristigen makroökonomischen Implikationen und dann wieder den Schritt zurückzugehen und zu sagen, okay, das ist, was der Klimawandel, was die Energiewende für die nächsten fünf und zehn Jahre bedeutet. Aber was kann man als Investor heute machen, um sein Portfolio darauf auszurichten?
Christian Salow: Über welche Arten von Investoren reden wir? Reden wir über Privatpersonen? Reden wir eher über professionelle, institutionelle?
Jakob Wilhelmus: Man muss natürlich sagen, im Ende sind alle diese Themen für jeden Investor interessant. Der Klimawandel, die Energiewende hat Implikationen für institutionelle Investoren, wahrscheinlich mehr als für Privatinvestoren. Aber im Endeffekt treiben diese Kräfte wirklich alle Anlagen über die nächsten Jahre.
Christian Salow: Deutschland produziert mittlerweile über 60 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Energien. Warum gibt es dennoch so viel Skepsis hinsichtlich der Zuverlässigkeit, vor allem bei den Investoren?
Jakob Wilhelmus: Ich denke, viel hat damit zu tun, einfach, wie es begonnen hat in den 2002, 2003, in den ersten Jahren, als erneuerbare Energie nur vier, fünf Prozent des Stromes wirklich geliefert hat. Und es bestand immer die Frage, Solarenergie ist nur da, wenn die Sonne scheint, Wind entsteht nur, wenn der Wind bläst. Geht das, wenn wir bei 20 Prozent ankommen? Geht das, wenn wir bei 40 Prozent erneuerbare Energie sind? Von daher ist die Skepsis ein wenig übertrieben, wenn wir mittlerweile bei fast 60 Prozent unseres Stromangebots kommt aus erneuerbarer Energie sind und Deutschland immer noch eins der zuverlässigsten Stromnetze der Welt hat. Also wir sind an einem Punkt angelangt, wo Deutschland und viele andere Länder in Europa bewiesen haben, dass es wirklich keine technischen Hindernisse gibt, diesen Anteil an erneuerbarer Energie zu haben.
Christian Salow: Lass uns ganz kurz über den europäischen Energiemarkt reden. Deutschland ist ja Teil des europäischen Strommarktes, der durch eine große Vielfalt geprägt ist. Wie beeinflusst denn die Energiepolitik der Nachbarländer, zum Beispiel Frankreich, mit Fokus auf Atomenergie oder Wasserkraft in der Schweiz und Österreich, Deutschlands Energiewende?
Jakob Wilhelmus: Im Endeffekt ist es sehr gut, dass sozusagen jedes Land seine eigene Energiepolitik macht und andere Entscheidungen trifft. Du hast gerade Frankreich angesprochen, wo man sozusagen den Klimawandel und die Energiewende durch Atomkraft erreichen will. Atomkraft, anders als Solar- und Windenergie, ist quasi immer ausgelastet, also produziert immer Strom zu einer gewissen Menge. Die Nachfrage fluktuiert aber über den ganzen Tag und deswegen hat es zum Beispiel für Deutschland Vorteile, dass Frankreich Atomenergie produziert, die sie dann exportieren muss zu den Zeiten, wo die Nachfrage nicht dort ist. Und sozusagen auf der anderen Seite ist es von Frankreich von Vorteil, dass Deutschland auf Wind und Solar baut und dann über den Tag hinweg diese Energie benutzen kann. Also im Endeffekt ist es wirklich faktisch, dass der europäische Energiemarkt die Strompreise effizienter macht, einen effizienteren Markt fördert und es ist eine gute Sache, dass jedes Land sozusagen auf ihre Vorteile baut und das heißt zum Beispiel Österreich, Skandinavien viel Wasserkraft, Deutschland viel Wind und Frankreich zum Beispiel Atomenergie.
Christian Salow: Ja, und welche Rolle spielt da Solar?
Jakob Wilhelmus: Solar und Wind sind für neue Energieproduktion einfach die günstigste Variante. Also wenn man es nur von einem wirtschaftlichen und von einem Kostenpunkt betrachtet, dann ist Solar ganz klar vorne. Das muss man ausbalancieren mit Speicherkapazitäten, aber wenn man es rein vom wirtschaftlichen Punkt betrachtet, dann ist Solar um einiges attraktiver als zum Beispiel Atomkraft. Die hat auch Vorteile, aber sie kommen mit sehr, sehr hohen Kosten.
Christian Salow: Du hast es gerade im Halbsatz angesprochen, Speicherfähigkeit. Wie siehst du den aktuellen Stand der Technik beim Thema Batteriespeicher?
Jakob Wilhelmus: Die Technik ist weniger das Problem. Vieles bei der Energiewende hat keine technischen Hindernisse. Es geht einfach darum, wie schnell wir unsere Ziele erreichen wollen und wie viele Investitionen wir machen können. Speicher sind sehr, sehr wichtig für erneuerbare Energien, aber müssen dramatisch ausgebaut werden über die nächsten Jahre. Ein gutes Beispiel ist Kalifornien, wo man auch auf Solarenergie gebaut hat für Jahre und auch wirklich die Energienachfrage komplett bedienen konnte über den Tag. Aber dann zum Abend hin und sozusagen die Eigenschaft von der Energienachfrage ist ja, dass wenn wir morgens aufstehen, steigt die Nachfrage. Dann über den Tag ist es relativ konstant und dann, wenn wir in den Feierabend gehen, das ist sozusagen die höchste der Hochpunkt der Nachfrage. Zu dem Zeitpunkt ist dann meistens die Solarenergie schon auf einer Talfahrt und deswegen muss in Kalifornien oft mit Erdgas zugeschaltet werden. Deswegen hat man dann in Speicherkapazitäten investiert und wirklich das einzigste Land, das mehr investiert hat, ist China. Und mittlerweile ist Kalifornien an einem Punkt, wo sie diesen Zuschuss an Erdgas abends nicht mehr brauchen. Das verdeutlicht einfach nur, wie wichtig diese Speicherkapazitäten sind, wenn man sich dafür entscheidet, auf Wind und Solar zu bauen.
Christian Salow: Lass uns doch kurz über die Rolle von Kupfer und den Ausbau des Stromnetzes reden. Welche Rolle spielt denn Kupfer im Ausbau und warum wird diese Bedeutung deiner Meinung nach oft unterschätzt?
Jakob Wilhelmus: Wenn man sich die Elektrifizierung anschaut, dann ist wirklich Kupfer sozusagen der essenzielle Baustein für jeden Prozess, jede Anwendung, die etwas mit Elektrik zu tun hat, braucht man Kupfer. Das wird bisher noch oft übersehen. Wir lesen viel über Solar, über Wind, über Elektroautos und weniger über Metalle. Und wenn man über Metalle hört, die wichtig sind, die besondere Chancen bieten, dann sind es oft solche wie Lithium. Gerade jetzt in Europa gibt es ja die Lithiummine oder sozusagen die Debatte darum, diese in Serbien zu öffnen. In den USA geht es darum, die Uranproduktion in Kanada anzutreiben. Aber beide dieser Metalle sind sehr spezifisch auf bestimmte Aspekte der Energiewende sozusagen strukturiert. Es geht da um Speicherkapazitäten bei Lithium. Uran geht es um die Atomenergie. Und Kupfer hat den großen Vorteil für Investoren, dass die Nachfrage direkt mit der Energiewende zusammenhängt und dass es wirklich unabhängig ist von jeglichen politischen Entscheidungen, gesellschaftlichen Entscheidungen. Wenn wir die Elektrifizierung vorantreiben, was wir machen werden, das ist allein schon aus Gründen der künstlichen Intelligenz und der Rolle, die sie in unserer Welt spielt, eine Gegebenheit, dann ist Kupfer unabdingbar.
Christian Salow: Jetzt haben wir über den großen Ausbau erneuerbarer Energien auf dem deutschen Markt gesprochen. Wir haben den europäischen Energiemarkt sozusagen tangiert. Wir haben über Kupfer gesprochen. Jetzt interessiert es natürlich den Investor, gerade den institutionellen Investor. Was bedeutet das für ihn? Wo geht seine Reise hin und welche Opportunitäten ergeben sich für ihn?
Jakob Wilhelmus: Die Chancen und Opportunitäten sind wirklich in Kupfer. Es ist der Ausbau des Stromnetzes und es sind Speicherkapazitäten. Es ist ein Fakt, dass die Energiewende weiter voranschreitet und dass die Elektrifizierung immer wichtiger wird. Was für Investoren wichtig ist, ist sich zum einen auf diese drei Bereiche und es gibt noch viele mehr, die wir alle in unserem Megatrend-Bericht rund um die Energiewende erwähnen, nicht nur darauf fokussiert, aber auch schaut, dass er sozusagen so weit wie möglich unabhängig von der Politik, von Subventionen ist, weil die spielen eine sehr große Rolle in der Energiewende, sind aber unbeständig, wenn man sich einmal vor Augen hält, dass viele Energieprojekte haben eine Laufzeit von 30 bis 50 Jahren. Das ist ein sehr langer Zeitraum und als Investor muss und will man sicherstellen, dass sich an der Attraktivität und an der Rendite nichts größer verändert, wenn politischer Wandel in fünf oder zehn Jahren sozusagen kommt.
Christian Salow: Wo siehst du denn Deutschland in den nächsten fünf bis zehn Jahren? Also jetzt nicht in 30, was ja eine Laufzeit eines Kraftwerks wäre, sondern in so ein, zwei Legislaturperioden?
Jakob Wilhelmus: Sehr gut mittlerweile, muss ich sagen. Einfach, weil 22 war ein kleiner Realitätscheck. Also der Ukraine-Krieg, die Realisierung des Erdgas aus Russland. Ich will nicht sagen, nicht falsch war, weil wirtschaftlich war es die richtige Entscheidung für Jahrzehnte und es wäre teurer geworden, wenn man es aus anderen Ländern bekommen hätte. Aber es hat sozusagen vor Augen geführt, wie wichtig es ist für die nationale Sicherheit, nicht komplett abhängig zu sein. Und wenn man sich dann Deutschland anschaut, wir haben relativ wenige Energiequellen. Wir haben Kohle und da hört es auf. Von daher ist für Deutschland wirklich die einzigste Alternative erneuerbare Energie. Und wenn man sich den Ausbau dieser anschaut in Deutschland über die nächsten, über die letzten zehn, 15 Jahre, dann ist das schon sehr beeindruckend. Und wir sind zurzeit sozusagen im Fahrplan, die 80 Prozent bei 2030 zu erreichen. Und man hat früh erkannt, hier in Deutschland, dass man aktiv werden muss beim Netzausbau. Zum Beispiel, Deutschland ist eigentlich berühmt dafür, zu viel Bürokratie zu haben. Aber mittlerweile ist der Anschluss und der Ausbau des Stromnetzes in Deutschland um einiges leichter und um einiges schneller als in den meisten anderen Ländern. Ebenso bei der Speicherkapazität hat man früh gemerkt, dass man sozusagen Initiative zeigen muss, dass das entscheidend ist, wenn man Wind und Solar wählt. Von daher sehe ich die nächsten Jahre eigentlich sehr, sehr optimistisch entgegen.
Christian Salow: Wie lange werden wir denn brauchen, bis wir Erdgas aus unserem Energiemix rausgebucht haben?
Jakob Wilhelmus: Das dauert lange. Also man muss auch immer realistisch sein und einsehen, dass natürlich man kann viele Prozesse, viele Anwendungen mit Strom ersetzen. Der Umbruch findet statt von Steeler Energie zu erneuerbarer Energie. Es gibt aber immer noch Prozesse, Anwendungen, vor allem in der Industrie, aber auch im Transportbereich. Man denkt nur an Flugzeuge oder größere Lastwagen, Schiffe, wo Strom noch keine Lösung ist oder keine wirtschaftliche Lösung. Also wirklich komplett Erdgas hinter uns zu lassen, wird noch eine lange Zeit dauern. Und man muss ja auch bedenken, dass es nicht immer die perfekte Lösung sein muss. Wenn wir von Kohle oder Benzin auf Erdgas umsteigen, dann ist das immer noch Teil der Energiewende. Die CO2-Emissionen sind geringer für Erdgas. Also es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Und ich denke, dass manchmal wird das sozusagen, das erschwert die Diskussion, weil manche Leute träumen von 100-prozentiger erneuerbarer Energie oder von dem oder von dies. Und man muss sich wirklich vor Augen halten, dass es dauert Jahre und man muss nicht unbedingt direkt bei 100 sein. Es geht darum sozusagen, unsere langfristigen Ziele zu erreichen und den besten Weg dafür zu wählen.
Christian Salow: Vielen Dank. Ich nehme drei entscheidende Dinge mit. Erstens, die Elektrifizierung wird weiter ansteigen. Zweitens, Investoren, insbesondere Institutionelle, sollten sich unabhängig von Subventionen und von Politikmeinung entscheiden und ihre Investitionen treffen. In Deutschland werden bis zu 80 Prozent erneuerbarer Energien bis 2030 ausgebaut sein. Und als dritten Punkt nehme ich mit, und das gefällt mir eigentlich am besten, du hast eine sehr, sehr positive Sicht auf die Zukunft und du hast vor allem auch angemerkt, die Bürokratie wird vielleicht nicht der entscheidende Bottleneck sein. Ganz herzlichen Dank für das Gespräch.
Jakob Wilhelmus: Danke dir, Christian
Christian Salow: Das war Jakob Wilhelmus von PGIM. Er ist Director of Thematic Research.
Source: altii- https://www.altii.de/deutschlands-energiewende-kupfer-stromnetze-und-die-unterschatzte-nachfrage/